Seit Jahren befinden sich Geschäftsberichte in einem stetigen Wandel. Als ich vor rund 20 Jahren mit den ersten Berichten konfrontiert wurde, lag der durchschnittliche Umfang noch bei rund 60 Seiten. Seitdem hat sich viel getan: der Umfang hat sich mehr als verdreifacht. Die inhaltlichen Anforderungen sind massiv gestiegen und mit ihnen der Druck für die Verantwortlichen alle rechtlichen und börslichen Auflagen korrekt zu erfüllen. Ganz zu schweigen von dem Erwartungsdruck Jahr für Jahr einen immer besseren und interessanteren Bericht zu erstellen. Eine echte Herausforderung in einem nur wenige Monate andauernden Prozess, der für die meisten IR-Manager zusätzlich zu dem ganz normalen Tagesgeschäft stattfindet. Bei so etwas geht es darum, Prozesse regelmäßig zu hinterfragen und zu optimieren. Man braucht verlässliche Dienstleister, die sich an enge Timings halten und dabei trotzdem hohe Qualität liefern können – oder noch besser: die einem helfen, den eh schon aus dem Ruder gelaufene Zeitplan wieder einzuholen.
Genauso wie es Sinn macht, die Prozesse zu optimieren, stellt sich nach Erscheinen des Berichts immer wieder die Frage, ob man zukünftig etwas verändern sollte: Vielleicht doch lieber Online als Print, vielleicht die Auflage reduzieren, eventuell mal einen anderen konzeptionellen Ansatz probieren, Inhalte reduzieren, oder doch neue Inhalt entwickeln?
Wagen wir einen kleinen Blick in die Kristallkugel. Wohin wird sich der Geschäftsberichtstrend wohl entwickeln? Noch vor einigen Jahren sah es so aus, als ob die Zukunft des Geschäftsberichts ganz eindeutig im Internet zu finden sei.
Digitale Revolution oder Rohrkrepierer
Aber was ist heute eigentlich mit dem Thema Online? Der Hype der ersten Jahre scheint vorüber. Nur noch rund 60 Prozent aller DAX-Unternehmen geben einen HTML-Bericht heraus. Von MDAX und SDAX will ich gar nicht reden. Die Gründe für die rückläufige Zahl von Online-Berichten sind mit einem Blick auf die Abrufstatistiken leicht auszumachen. Wenn auf einen Online-Bericht nur eine Handvoll Leser kommen, lassen sich die Erstellungskosten kaum mehr rechtfertigen. Aber warum kommen die Berichte bei den Zielgruppen so schlecht an? Die Erklärung ist aus meiner Sicht eigentlich ganz einfach: Es liegt an unserem Leseverhalten. Für unser Auge ist es unangenehm längere Texte online zu lesen. Vielmehr picken wir gern selektiv kleinere Informationshäppchen, meiden aber längere Textpassagen. Unser Auge lernt jeden Tag durch Anwendungen wie Google News, Facebook & Co., durch Smartphones und Multitasking die relevanten Informationen immer schnell zu filtern. Aufgrund ihres Umfangs sind Geschäftsberichte von Natur aus schwer online adaptierbar. Da können auch Features wie Suchfunktion, Navigation, Hyperlinks, etc. nur einen kleinen Beitrag zur Lesefreude schaffen. Letztendlich muss sich der HTML-Bericht dem Vergleich zum PDF stellen – in Hinblick auf die Erfassbarkeit der Informationen ebenso wie mit Blick auf die Kosten und den Aufwand. Aus meiner Sicht schneiden dabei die meisten Online-Berichte tendenziell schlecht ab. Ein möglicher Kompromiss liegt in hybriden Formaten wie Quick-HTML oder ePaper, die mit niedrigem Erstellungsaufwand und geringen -kosten glänzen gleichzeitig mit Features wie Suchfunktion und Navigation das klassische PDF hinter sich lassen. Dabei sollte ich der Fairness halber sagen, dass auch ein PDF mit Navigation und interaktiven Elementen ausgestattet werden kann.
Einen kurzes Statement zum Thema Multichannel möchte ich noch loswerden. Bislang gibt es keine Lösung am Markt, die einen echten Multichannel-Workflow möglich macht, der – und darum geht es ja – nicht später noch händisch nachbearbeitet werden muss. Print, Online und App gleichzeitig in einem Durchgang? Das klingt gut, ist aber nicht mehr, als ein gutes Verkaufsargument der Agenturen, die damit einen vermeintlichen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz bieten wollen.
Aus meiner Sicht fehlt vielen Agenturen eine Vision zur Zukunft von Digital. Eine der großen Chancen liegt im Thema Bewegtbild, das zur Zeit leider noch etwas stiefmütterlich behandelt wird, obwohl es doch so viele Möglichkeiten bietet, die Story des Geschäftsberichts noch interessanter zu kommunizieren. Hier wird in den nächsten Jahren noch viel passieren.
Print ist tot – immer mal wieder
Was beim Online-Bericht die Downloads sind, ist beim Print-Bericht die Auflage. Das Stichwort lautet hier „Auflagenoptimierung“. Ein Blick ins Lager zeigt die unzähligen, nicht verteilten Geschäftsberichte des Vorjahres. Was liegt da näher, als die Anzahl der gedruckten Berichte massiv zu reduzieren? Theoretisch bis zu dem Punkt, wo die Kosten pro Stück einfach ins Utopische steigen.
Ist die Konsequenz dann also ganz auf einen Geschäftsbericht in aufwendiger Form zu verzichten und nur den Pflichtteil als PDF zu veröffentlichen?
Ich meine Nein. Denn worum geht es bei einem Geschäftsbericht wirklich? Es geht darum, das Unternehmen für die relevanten Zielgruppen interessant und schmackhaft zu präsentieren. Das ist ein aktiver Kommunikationsprozess vom Unternehmen an die Leser. Wer glaubt Finanzkommunikation nur auf Abruf anbieten zu können, sollte einmal überlegen, warum es Sinn macht, dass es überhaupt Werbung und Marken gibt. Ein Geschäftsbericht ist schließlich nichts anderes als Werbung für das Unternehmen und seine Aktie.
Was bedeutet das für den gedruckten Geschäftsbericht? Zunächst einmal, dass man jede Gelegenheit nutzen sollte, den Bericht zu verteilen. Und anders als beim Online-Bericht sinken die Stückkosten bei steigender Auflage deutlich.
Dann sollte man die haptischen Möglichkeiten eines Printprodukts ausnutzen, um damit das Unternehmen „erlebbar“ zu machen. Das beginnt beim Papier und endet bei einer Vielfalt von Veredelungs- und Verarbeitungsvarianten. Aber Achtung: hier geht es weniger um „viel bringt viel“, sondern eher darum gezielt Botschaft und Konzept zu unterstützen. Ein Naturpapier kann die Glaubwürdigkeit der Kommunikation stärken, so wie eine Laserstanzung den Bezug zu moderner Technologie herstellen kann, oder ein Duftlack unsere Sinne anspricht.
Individualität und Vielfalt als Chance
Letztendlich ist es keine Gretchenfrage „Print oder Online“. Vielmehr geht darum Dinge in Frage zu stellen und neue, ganz individuelle Lösungen zu entwickeln. Denn nie waren die Möglichkeiten größer, zielgerichtete Kommunikation zu gestalten. Ob Kurzbericht, Bewegtbildreportage, App, Buch oder Zeitung – der Geschäftsbericht von heute ist ganz individuell, spannend und vielfältig. Das sollten wir nutzen, um Aufmerksamkeit zu schaffen und die Unternehmensbotschaft zielgerichtet zu transportieren.