Was hat sich in 30 Jahren Finanzkommunikation getan? – SILVESTER GROUP BLOG

Was sind schon 30 Jahre? In der Finanzkommunikation ist es eine Ewigkeit. Denn erst Ende der 80er Jahre konnte man überhaupt schon in dieser Richtung denken. Anstoß gaben wohl die phänomenalen Möglichkeiten, die die Grafikprogramme der neuen „Heimcomputer“ boten. Diagramme wurden als Businessgrafiken in Analysen, Berichte und Präsentationen eingebaut, dass sich im wahrsten Sinne des Wortes die „Balken bogen“. Überall traf man auf Diagramme in Torten-, Linien und Balkenoptik. Es ist die Zeit, in der wir die ersten Geschäftsberichte für innovative Kunden auch in 3D-Optik mit „Schattenwurf“ erstellten. Auf die Inhalte kam es natürlich auch an: Die von den Unternehmen erstellten Texte lasen sich wie die Rechenschaftsberichte vergangener Zeiten, als wenn jedes Wort vom Wirtschaftsprüfer abgehakt worden wäre.

Diese Phase fiel zusammen mit dem ersten Boom neuer Aktienemissionen an der Deutschen Börse – ich erinnere mich, dass beispielsweise die Hugo Boss AG damals ihr Börsendebüt feierte. Um bei Investoren Vertrauen zu erzeugen, die Kapitalbeschaffung zu erleichtern und den Unternehmenswert zu steigern, bedurfte es nicht nur neuer Techniken, sondern auch neuer, Dynamik ausstrahlender Schlagworte: Damit begann für mich die Ära der Finanzmarktkommunikation, kurz Finanzkommunikation, und die Geburt von Kommunikationsberatungsagenturen.

Nach „New Economy“-Blase um die Jahrtausendwende und nach globaler Finanzkrise nur wenige Jahre später erstrahlt die Finanzkommunikation in Deutschland heute in frischer Professionalität. Kaum überschaubare gesetzliche und administrative Veränderungen und Verschärfungen, wie die fast zum Eigenleben entwickelten Risiko- und Vergütungsberichte, haben die Spezialagenturen in der Finanzkommunikation zu hoch spezialisierten Investor Relations Consultants gemacht. Zunehmend umfassendere Sichtweisen, wie die Integration der Nachhaltigkeitsthemen in die Geschäftsberichte, verlangen nach Corporate Social Responsibility Expertise.

Der Finanzkommunikation stellen sich in der Vielfalt und der Geschwindigkeit der digitalen Veränderungen enorme Herausforderungen: Ständig neue Kapitalmarktkonstellationen, die Einflüsse der digitalen Communities, die Einführung neuer regulativer Maßnahmen, ein verändertes Verständnis von sozialem und ökologischem Wirtschaften und nicht zuletzt die Globalisierung haben das Interesse an Finanzinformationen ungeheuer verstärkt und verlangt deren schnellstmögliche Erfassung: das Smartphone verdrängt den Printbericht!

Was wird daraus? Aus meiner Sicht kommt der Finanzkommunikation eine immer stärkere Bedeutung zu. Eine Unternehmensstrategie, die mit den neuen digitalen Möglichkeiten nicht schnell und deutlich genug erklärt werden kann, hat keinen Erfolg. Der Kommunikationsstrategie kommt damit eine zentrale Bedeutung zu. Diese Erkenntnis wird sich auch immer mehr in der Besetzung von Management- und Aufsichtsratspositionen bemerkbar machen – und die Digitalisierung in der Finanzkommunikation weiter beschleunigen.

Welche Antwort werden Sie in 30 Jahren wohl auf die Eingangsfrage erhalten? Wenn ich Ihnen die Antwort auch nicht mehr geben kann, so ist eines sicher: Auch dann wird die Idee zu ihrer Verwirklichung Kapital suchen – auf welchem finanzkommunikativem Weg auch immer. Die digitale Entwicklung ist für jede Überraschung gut.